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Lohnsteuer - Erste Tätigkeitsstätte, § 9 Abs. 4 EStG

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Lohnsteuer

Erste Tätigkeitsstätte, § 9 Abs. 4 EStG

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Der ersten Tätigkeitstätte im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG kommt im Rahmen der Ermittlung von Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit eine zentrale Rolle zu. Zum einen ist sie bei der Ermittlung der Entfernungspauschale maßgebend zur Bestimmung der maßgeblichen Entfernung und zum anderen aber auch dafür, ob ein Arbeitnehmer seine Fahrtkosten beispielsweise überhaupt anhand der Entfernungspauschale geltend machen kann oder ob er seine Werbungskosten anhand des Reisekostenrechts (siehe hierzu unten) zu ermitteln hat.

Die erste Tätigkeitsstätte ist gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.

 

aa) Ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers

Gemäß BMF-Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 3, ist eine Tätigkeitsstätte eine von der Wohnung des Arbeitnehmers getrennte, ortsfeste betriebliche Einrichtung, die der Tätigkeit des Arbeitgebers (oder eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten) dient und die mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt ist, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden.

Fahrzeuge, Flugzeuge, Schiffe oder weiträumige Tätigkeitsgebiete ohne ortsfeste betriebliche Einrichtung können somit per Definition keine erste Tätigkeitsstätte darstellen.

Von dem weiträumigen Tätigkeitsgebiet sind jedoch solche Tätigkeitsstätten zu unterscheiden, die zwar per Definition weiträumig sind, jedoch ein in sich geschlossenes und infrastrukturell erschlossenes Gebiet darstellen, zum Beispiel großflächige Werksanlagen oder Flughäfen.

Ein häusliches Arbeitszimmer kann grundsätzlich keine erste Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers darstellen, da es seiner Wohnung zuzurechnen ist und eben nicht von dieser getrennt ist, vergleiche BMF-Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 4. Hieran ändert sich auch nichts, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitszimmer an den Arbeitgeber vermietet und dieser es sodann dem Arbeitnehmer zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit überlässt.

 

bb) Dauerhafte Zuordnung

Die dauerhafte Zuordnung zur Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte eines Arbeitnehmers erfolgt in der Regel durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegungen, wobei auch zugehörige Absprachen und Weisungen zu beachten sind, § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG.

Diese Zuordnung ist sodann gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG dauerhaft, wenn sie

  • Unbefristet oder
  • Für die Dauer des Arbeitsverhältnisses oder
  • Über einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten

ausgesprochen wird. Es ist zu beachten, dass dies jeweils der Zeitraum ist, der vom Arbeitgeber bei Ausspruch der Zuordnung beabsichtigt ist. Beispielsweise ist im Falle einer sogenannten Kettenabordnung, bei der ein Arbeitnehmer immer wieder für 48 Monate an ein und dieselbe Tätigkeitsstätte abgeordnet wird, das Tatbestandsmerkmal der Dauerhaftigkeit nicht gegeben, vergleiche BMF-Schreiben vom 25.10.2020, Rz. 19.

Zu beachten bleibt jedoch, dass der Arbeitgeber durch ausdrückliche Regelung bestimmen kann, dass die im Arbeitsvertrag bestimmte Tätigkeitsstätte nicht als solche erste Tätigkeitsstätte im Sinne des Steuerrechts anzusehen ist, Rz. 13 des BMF-Schreibens vom 25.10.2020.

In solchen Fällen greifen sodann die quantitativen Abgrenzungsmerkmale des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG.

 

cc) Quantitative Abgrenzungsmerkmale

Fehlt eine dienst- oder arbeitsrechtliche Zuordnung, wurde diese für steuerliche Zwecke außer Kraft gesetzt oder ist diese nicht eindeutig, so stellt diejenige Einrichtung die erste Tätigkeitsstätte des Arbeitgebers dar, an der der Arbeitnehmer dauerhaft

  • 1: Arbeitstäglich oder
  • 2: Pro Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit

tätig werden soll, § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG (quantitative Betrachtungsweise).

Soll der Arbeitnehmer an einer Tätigkeitsstätte arbeitstäglich, aber weniger als ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden, so stellt dies dennoch seine erste Tätigkeitsstätte dar, wenn hier nicht nur vorbereitende oder Hilfs-/Nebentätigkeiten ausgeführt werden, BMF-Schreiben vom 25.10.2020, Rz. 27 und 29. Hierzu zählen zum Beispiel: Rüstzeiten, Abholung oder Abgabe von Kundendienstfahrzeugen oder LKWs einschließlich deren Be- und Entladung, Abgabe von Auftragsbestätigungen, Stundenzetteln, Krankmeldungen und Urlaubsanträgen.

Gemäß § 9 Abs. 4 Satz 5 EStG kann pro Arbeitsverhältnis nur eine erste Tätigkeitsstätte vorliegen.

Liegen per Definition mehrere erste Tätigkeitsstätten vor, so bestimmt der Arbeitgeber, welche Tätigkeitsstätte die erste Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers ist, § 9 Abs. 4 Satz 6 EStG. Dies kann zum Beispiel durch eine Regelung im Arbeitsvertrag geschehen. Findet eine solche Bestimmung durch den Arbeitgeber jedoch nicht statt oder ist diese nicht eindeutig, so stellt diejenige Tätigkeitsstätte die erste Tätigkeitsstätte dar, die der Wohnung des Arbeitnehmers am nächsten liegt, § 9 Abs. 4 Satz 7 EStG.

 

Exkurs: Bildungseinrichtung

Auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums aufgesucht wird, kann eine erste Tätigkeitsstätte darstellen, § 9 Abs. 4 Satz 8 1. HS EStG. Aufgrund dieser Qualifikation ist gemäß § 9 Abs. 4 Satz 8 2. HS EStG für Wege zwischen der Bildungseinrichtung und der Wohnung des Steuerpflichtigen die Entfernungspauschale anzusetzen. Bei einer Auswärtstätigkeit im Sinne des Reisekostenrechts (siehe hierzu unten) können § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, Abs. 4a EStG zur Anwendung kommen.