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Arbeitsrecht | FALG-Prüfung - Verhaltensbedingte Kündigung

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Arbeitsrecht | FALG-Prüfung

Verhaltensbedingte Kündigung

Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt zunächst eine schuldhafte Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten seitens des Arbeitnehmers voraus. Der Grund für die Verletzung muss in einem durch den Arbeitnehmer steuerbaren Verhalten liegen. Das heißt, der Arbeitnehmer muss das Verhalten beeinflussen und korrigieren können.

Bezüglich der Pflichtverletzung ist nicht die subjektive Einschätzung des Arbeitgebers entscheidend, entscheidend sind vielmehr nur die objektiv nachvollziehbaren Vorfälle. Auch der bloße Verdacht, es werde in Zukunft zu Pflichtverletzungen kommen, reicht nicht, wenn in der Vergangenheit solche nicht vorlagen.

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Beispielhaft für Pflichtverstöße, die eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen können, seien genannt: Hartnäckige Arbeitsverweigerung, Vorspiegelung einer Arbeitsunfähigkeit, Verrat von Geschäftsgeheimnissen, Straftaten gegen den Arbeitgeber.

Der Zweck der verhaltensbedingten Kündigung ist nicht, den Arbeitnehmer zu bestrafen. Vielmehr sollen in Zukunft weitere Pflichtverletzungen vermieden werden. Voraussetzung ist daher eine negative Zukunftsprognose. Eine Vorausschau im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung muss ergeben, dass sich das Verhalten auch auf die Zukunft noch belastend auswirkt, eine Wiederholungsgefahr droht oder ein vertrauensvolles Verhältnis als Basis der Zusammenarbeit in der Zukunft nicht wiederhergestellt werden kann. Insoweit spielt das Verhalten in der Vergangenheit eine große Rolle für diese Prognose.

Auch der Grad des Verschuldens ist hier von Bedeutung. Vor diesem Hintergrund objektiviert eine Abmahnung eine negative Vorhersage. Setzt nämlich der Arbeitnehmer nach Abmahnung das beanstandete Verhalten fort, so liegt die Annahme einer Besserung fern. Doch nicht jede schuldhafte Pflichtverletzung, die eine negative Zukunftsprognose begründet, reicht automatisch zur Rechtfertigung einer Kündigung aus. Eine verhaltensbedingte Kündigung muss ferner verhältnismäßig sein. In diesem Rahmen muss zunächst geprüft werden, ob es kein weniger einschneidendes Mittel gibt, welches den Arbeitnehmer zur Einsicht bringen könnte (sog. „Ultima-Ratio-Prinzip“) und sodann eine Interessenabwägung im Einzelfall vorgenommen werden (s.u.).

Ein Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Ultima-Ratio-Prinzips ist, dass grundsätzlich eine ordnungsgemäße Abmahnung ausgesprochen werden muss, die eine Rüge-, Warn- und Ankündigungsfunktion erfüllt. Es muss mit ihr also hinreichend deutlich ein bestimmtes Fehlverhalten beanstandet werden und gleichzeitig der Hinweis erfolgen, dass im Wiederholungsfall der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.

Kann aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und den daraus resultierenden Störungen geschlossen werden, dass eine Verhaltenskorrektur des Arbeitnehmers nicht möglich ist oder nicht erwartet werden kann, so ist sie ausnahmsweise entbehrlich. Ebenso entbehrlich ist die Abmahnung, wenn es sich um eine derart schwere Pflichtverletzung handelt, bei der der Arbeitnehmer regelmäßig selbst erkennen kann, dass der Arbeitgeber dieses Verhalten nicht dulden wird.

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Der Arbeitgeber hat den Urlaubsantrag des Arbeitnehmers abgelehnt mit der – der Wahrheit entsprechenden – Begründung, an dem fraglichen Tag hätten alle Kollegen des Arbeitnehmers frei, das Büro müsse jedoch mit mindestens einem Mitarbeiter besetzt sein. Der Arbeitnehmer weiß, dass das Büro geschlossen bleiben muss und dem Arbeitgeber dadurch ein großer Vermögens- und Rufschaden entsteht, wenn er nicht erscheint. Dennoch entschließt er sich, der Arbeit fernzubleiben.

Mit Blick auf das „Ultima-Ratio-Prinzip“ ist als milderes Mittel vorrangig auch an eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz (vgl. § 1 Abs. 2, 3 KSchG), z.B. durch Versetzung oder Änderungskündigung, zu denken. Das kommt sicherlich nur dann in Betracht, wenn der verhaltensbedingte Grund arbeitsplatzbezogen ist.

Letztlich ist eine Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen. Hier ist zu fragen, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung zumutbar ist. Beurteilungsmaßstab ist ein ruhiger, verständiger Arbeitgeber. In die Abwägung einzustellen sind dabei z.B.

  • das Gewicht der Vertragsverletzung,
  • die Dauer der beanstandungsfreien Vertragsbeziehung,
  • ob der Arbeitgeber den Kündigungsgrund bereits vorher kannte (dann verliert er bei der Interessenabwägung an Gewicht),
  • der Umfang der Auswirkungen auf den Betrieb,
  • die Häufigkeit der Verletzungen und erkennbare Wiederholungsgefahr.

Nur dann, wenn das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung der Zusammenarbeit das Interesse des Arbeitnehmers an der Fortführung des Arbeitsverhältnisses überwiegt, ist die Kündigung sozial gerechtfertigt.

Beispiel

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Grundsätzlich ist eine verhaltensbedingte Kündigung wegen eines Diebstahls oder Unterschlagung zu Lasten des Arbeitgebers – ohne vorherige Abmahnung – gerechtfertigt. Aufgrund der Interessenabwägung im Einzelfall kann diese jedoch ausnahmsweise nicht sozial gerechtfertigt sein, wenn nur Gegenstände von geringem Wert entwendet wurden und das Arbeitsverhältnis jahrzehntelang beanstandungsfrei verlaufen ist. Das BAG nimmt dies z.B. bei einer 31-jährigen Betriebszugehörigkeit und einem Schaden i.H.v. 1,30 Euro an (BAG, Urteil vom 10.06.2010).